Es war der 14.6.2019 und es lagen 175km und der Große St Bernhard Pass vor uns. Eine Strecke von Fiesch (SUI) nach Aosta (ITA) die sich als Schafrichter unserer CCC Wien-Nizza 2019 herausstellen sollte.
Ein Tag der so gut begann, mit 10km bergab und 30km starken Rückenwind hinein in das Rhonetal. Doch ganz plötzlich hatte der Wind anderes vor und dreht innerhalb von Minuten auf starken Südwest Wien = GEGENWIND!!!
Somit wurde der Tag zum Härtesten unserer Tour. Eine Tour die am 7.6.2019 vor dem Allianz Stadion in Wien Hütteldorf begann und uns (8 Fahrer + Begleitbus) über 1.800km und 35.000hm führen sollte. 13 Tage am Sattel, 14 Tage unterwegs (Ruhetag in Aosta, ITA) und jeden Tag dasselbe Spiel >> Aufstehen, Sachen packen, Frühstücken, Auschecken, Begleitbus beladen, zwischen 5 und 10 Stunden am Rad, Ankunftsbier, Einchecken, Waschen, Essen, Vorbesprechung des nächsten Tages, Schlafen, …!
Ein scheinbar stupider Rhythmus, der uns aber so viel Spaß macht und der in seiner Gleichmäßigkeit eine unglaubliche Vielfalt breitet und uns die Alpen „fast immer“ von ihrer schönsten Seite zeigte.
Der GEGENWIND der uns erfasste, machte die nächsten 70km (gesamt 100km Anfahrt zum Beginn des Gr. St. Bernhard Pass) zur Tortur und zumindest für jeweils denjenigen, der in der Gruppe vorne führ, zur kräfteraubenden Prozedur.
Dann war es endlich geschafft, wir kamen am Fuße des Gr. Bernhard Passes an und es hieß 40km Bergauf, zu Beginn mäßig und dann immer steiler und natürlich weiterhin mit starkem Gegenwind, der Richtung Pass immer stärker wurde.
Jetzt musst du wissen, der Gr. St. Bernhard Pass ist ein Transitpass, sprich du fährst bis fast ganz oben mit dem Transitverkehr, erst vor den letzten 8km biegt der Schwerverkehr in ein Tunnel und der Radfahrer fährt alleine weiter auf den Pass.
Alles schlechte Voraussetzungen für eine schönen Radnachmittag und so kletterten wir, jeder einzeln und für sich selber, diesen scheinbar unendlichen Pass hinauf. Und irgendwann war es soweit und nach harten und scheinbar endlosen Stunden kam ich bei diesem besagten Tunnel an und war froh, mittlerweile völlig entkräftet, den Transitverkehr von meiner Seite zu verlieren und machte mich an die letzten 8km Anstieg. Dies 8km, die zwar landschaftlich immer schöner wurde, aber trotzdem war zu erkennen, dass mich der Berg nicht auf seiner Passhöhe sehen wollte – Gegenwind, Kälte und ein mittlerweile leerer Körper und Geist machten mich antriebslos.
Als ich dann mit den letzten Reserven eine weitere Kehre durchfuhr hörte ich ihn pfeifen, den Murmler. Und in meiner Enttäuschung und in meinem Ärger, dass sich heute offensichtlich die gesamte Welt gegen mich verschworen hatte, dachte ich mir, „Na super, jetzt pfeift mich das Murmeltier auch noch aus“. Kaum hatte ich den Gedanken fertig gedacht, war ein zweites Pfeifen zu hören. In dieser Sekunde wurde mir bewusst, dass Murmeltier pfeift mich nicht aus, es nimmt mich in Wirklichkeit gar nicht zur Kenntnis. Weil es dem Murmeltier relativ Oberwurscht ist, ob ich auf diesem Pass ankomme oder eben nicht. So wie es der ganzen Welt wurscht ist, ob ich da oben ankommen und das trotz persönlichen Erfolg oder Misserfolg am nächsten Tag die Sonne wieder aufgeht und sich die Erde weiter dreht, das ist wohl auch unwidersprochen.
Genau mit diesem Gedanken wurde mir wieder bewusst, dass ich diese Qualen nur für mich auf mich nehmen, weil ich mir etwas beweisen und zeigen will und das ich so etwas tun kann und darf, das ist definitiv ein Privileg. Wenn dir dann deine privilegierte Situation so richtig bewusst wird, dann ist es kein gedanklich weiter Weg mehr, dass dir klar wird, dass es deine verdammt Pflicht ist aus einer derartig bevorzugte Situation heraus, von deinem Privileg wieder etwas zurück zu geben.
Eingetaucht in diesen Gedankenfluss dämmerte mir auf eine schöne und sehr erdete Weise, dass unserer CharityCyclingChallenge genau dafür steht. Wir dürfen uns challengen, um damit Menschen in unserer Gesellschaft Solidarität zu zeigen, die diese Unterstützung in ihrer momentanen Situation dringend benötigen.
Und in Wirklichkeit hat mich der Murmler, den ich zu Beginn noch als mich auslachenden Gegner gesehen habe, genau auf diesen Weg zurück gebracht und mir damit auch den weiteren Weg auf den Pass gezeigt, den ich dann gefühlte Stunden später auch tatsächlich erreichen durfte.
Im Namen der CCC möchte ich mich bei allen Sponsoren, Spendern und Mitwirkenden für eure unglaubliche Unterstützung bedanken. Danke eurer Hilfe konnten wir am 20.7.2019 2 Schecks mit einem Gesamtwert von EUR 60.000,- an die beiden unterstützen Familien übergeben.
FORZA!!!
Die CharityCyclingChallenge Wien-Nizza 2019 in Zahlen:
20190404 Wien Nizza Übersicht 2.0
Was haben wir Unterstützt:
CCC_Projektsheet_2019_18032019